Ritorno alla Foresta Nera

Die gestrige Tagesetappe sollte mich über moderate 285 Kilometer aus der Arlbergregion in den Schwarzwald bringen. Dabei wollte ich unbedingt den Bodensee auf der Südseite umfahren (Schweizer Seite), um dem kleinen Örtchen Tägerwilen meine Aufwartung zu machen.

  • weiterer Text folgt –

Al Passo dello Stelvio

Nachdem ich bereits zwei Mal vergeblich Anlauf auf den Passo dello Stelvio genommen hatte (beide Male gesperrt), sollte es im dritten Versuch (am Donnerstag) endlich klappen.
Ich startete bereits früh in den Tag (kurz nach neun Uhr) und arbeitete mich – mit einer kurzen Fotopause bei Pisogne, weil ich sonst nicht viel vom See zu sehen bekam – an der Ostseite des Iseosees in Richtung Norden bis nach Edolo vor.
Dort ließ ich noch einmal die Luft aus dem Tank und wählte die SS 39, die in die 38 übergeht, in Richtung Bormio für die Anfahrt auf den Stelvio, weil ich die Alternativ-Route über den Gavia-Pass bereits vor Jahren abgeritten hatte.
Unter dem Strich ist die Gavia-Route landschaftlich schöner und fahrtechnisch anspruchsvoller, daher eher empfehlenswert. Zudem ist die SS 38 für Vespen unter 150 cbm in Teilbereichen nicht zugelassen.
Wer allerdings im Kanal- oder Tunnelbau beruflich zu Hause ist, hätte sicher seinen Spaß auch an dieser Streckenführung, denn mehrere teilweise kilometerlange Tunnel sind zu durchfahren.
Diese sind zum Teil jedoch sehr spärlich ausgeleuchtet, also „finster wie im Bärenarsch“. Eine größere Herausforderung für die Augen, oder doch eher was für vespazierende Proktologen?
Der Stelviopass selbst ist für den Massentourismus bestens vorbereitet. Allerlei Andenken- und Freßbuden säumen die Passhöhe. Für meinen Geschmack alles ein bisschen viel. Ein zweites Mal muss ich hier nicht hin.
Neben zahlreichen Zweiradfahrern und diversen, recht ansehnlichen vierrädrigen Oldtimern, blieben mir besonders die hochmotorisierten Luxusfahrzeuge (Ferraris, Lambos, Porsches usw.), die teilweise in Kolonnen den Berg rauffahren, in – wenn auch überwiegend negativer – Erinnerung, da diese bedingt durch ihre Auspuffanlagen (Klappensteuerung) einen schier unglaublichen Lärm in dieser sonst so schönen Natur veranstalten.
Was hingegen äußert positiv in Erinnerung bleibt, ist der Wurst-Richard, mit seiner Hirschbratwurst mir Sauerkraut im Vinschgauer. Die schmeckt auf 2.770 Metern trotz der 8€ nochmal um einiges besser. Nach seinen eigenen Angaben steht er bereits seit den 50er Jahren auf der Passhöhe am Grill. Seinem Aussehen nach durchaus glaubwürdig.
Nach der kurvenreichen Abfahrt ging’s weiter über Landeck bis nach St. Anton in Tirol, wo ich für diese Nacht Quartier nahm. Ein kleines (9 qm) Zimmer mit Etagenbad für relativ kleines Geld sollte für diese Nacht reichen. Im Hauptgebäude des Hotels (ich war im Gästehaus untergebracht) rundeten beim Abendessen ein Zwiebelrostbraten und ein größerer Gerstensaft den Tag ab.

Dormi come un re

Die gestrige, erste Etappe in Richtung Heimat war ein echt hartes Stück Arbeit.
Um Viertel nach neun gestartet brauchte ich für die rund 90 Kilometer bis nach Savona etwa zwei Stunden. Dies ist auf der viel befahrenen SS 1 die übliche Zeit. Durchschnittsgeschwindigkeiten über 50 km/h sind kaum zu erreichen.
In Savona dann ein erster kurzer Tank-Stopp und dann ging’s landeinwärts in Richtung Acqui Terme. Die dortige bekannte heiße Quelle (il bollente) macht ihrem Namen alle Ehre und fördert kochend heißes Wasser zu Tage.
Leider liegt das Bauwerk mit dem die Quelle gefasst wurde in einer ZTL-Zone, so dass das geplante Foto (heiße Vespe neben heißer Quelle) nicht realisierbar war. Ansonsten habe ich mich beim kleinen Stadtrundgang kurz gefasst, da das (ehemalige) römische Theater kaum mehr als solches zu erkennen ist und der Uhrenturm gerade in Restaurationsarbeiten steckte.
Die Suche nach meinem Nachtdomizil war dann noch einmal mit ein paar Widrigkeiten gespickt. Rund um Brescia gab es mehrere Baustellen, in die mich mein Ur-Alt-Navi gezielt hinein führte. Auch die Handy-Navigation mit Google half nicht weiter. Also improvisiert und nach Kompaß gefahren und mit etwas Glück sicher angekommen. Meine Unterkunft war einfach königlich (Foto folgt). Einer Empfehlung meiner Vermieterin folgend suchte ich zum Abendessen noch ein serbo-kroatisch-italienisches Restaurant auf. Dort konnte ich mich sogar auf Deutsch unterhalten, da die Grand Dame des Hauses eine Zeitlang in Deutschland gelebt hatte. Mit meinen mageren Italienisch-Kenntnissen kam mit deren Sohn sogar ein rudimentärer Smalltalk zu Stande. Nach dem guten Essen fiel ich kurze Zeit später ins Bett, hatte ich doch wieder über 400 Kilometer TFL zusammen gefahren.

Il principato di Seborga

Nach einem Tag Vespa-Pause, mit ausgiebigem Meer- und Sonnenbaden, war die ungünstige Wetterprognose für den Sonntag Anlass über einen kurzen Giro ins Umland nachzudenken. Primäres Ziel sollte das selbsternannte Fürstentum Seborga im Hinterland von Bordighera sein. Schon am Morgen färbte sich der Himmel kräftig grau, aber ich gab den Optimisten und wählte Shorts, Tank-Shirt und Flip-Flops als Outfit zum sonntäglichen Vespazieren. Wieder sollte die Anfahrt über die Via Aurelia, diesmal bis Bordighera, erfolgen, um dann über Sasso di Bordighera ins hügelige Hinterland zu gelangen. Seborga selbst liegt auf etwa 500 Metern Höhe, die Anfahrt ist kurvenreich und der Straßenbelag italienisch. Unmittelbar an der Gemeindegrenze steht ein kleines Wachhäuschen, in den Nationalfarben hellblau und weiß, was für ein erstes Fotomotiv herhalten musste. Es folgt das gleichfarbige Willkommenschild und nach ein paar Minuten Fahrt erreicht man den Ortskern, an dem sich ein kleiner Parkplatz befindet, auf dem sich die Vespe kostenfrei abstellen ließ. Direkt am Zugang zum zentralen Platz wohnt die regierende Fürstin Nina Döbler-Menegatto, die bajuwarische Wurzeln hat. Das kleine Örtchen ist eher unspektakulär, hat eine typisch mittelalterliche Gebäudesubstanz in teilweise erbärmlichen Zustand. Das ehemalige Außenministerium spricht hier Bände. Geschäftstüchtig wie die Einwohner des Fürstentums sind, verkaufen sie hier allerlei Andenken und Mitbringsel, teilweise zu Mondpreisen (z. B. T-Shirts mit Seborga-Wappen für 35€). Günstig erwirbt man hingegen einen Pass des Fürstentums: Mit nur fünf Euro ist man schon dabei, Unterschrift der „Fürstin“ und Siegel des „Fürstentums“ inklusive. Merkwürdig, im Pass selbst muss alljährlich ein Stempel gesetzt werden, um die „Gültigkeit“ beizubehalten, gegen Gebühren versteht sich. Ein Schelm der Böses dabei denkt! Ich habe den Spaß trotzdem mitgemacht, und bin nun für dieses Jahr mit zwei Pässen versorgt. Wenn ich den Iseran und den Stelvio noch dazu rechne, sollten das mehr als genug. Die kurze Rundfahrt beschloss ich mit einem Abstecher an die Lungomare Argentina in Bordighera, wo ich noch einmal in den mediterranen Wellen trieb, bevor ich leicht bekleidet bei einsetzendem Nieselregen zurück nach Arma die Taggia fuhr. Die frische Brise und der Nieselregen auf der mehr oder weniger nackten Haut während der zwanzig minütigen Rückfahrt waren zwar ein sehr sinnliches Vespa-Erlebnis (meet the elements – Jack Wolfskin ließ grüßen), aber im Hotel gab ich mir dann doch erstmal die extra heiße Dusche.

Circolazione curiosa

Die Geschichte des fünften Reisetags ist schnell erzählt. Von Ponte di Nava bis Arma di Taggia waren nur noch 58 Kilometer abzuspulen. Bemerkenswert auf dieser Kurzstrecke, die trotzdem, wegen der viel befahrenen SS 1 (Via Aurelia), eineinhalb Stunden in Anspruch nehmen sollte, waren lediglich ein auf den ersten Blick sinnfreier Kreisverkehr mitten in der Campagna (Bild folgt) und die Tatsache, dass mir beim Tanken in Imperia mein Helm vom Lenker fiel, und dadurch die Befestigung des Visiers an einer Seite angeknackst wurde. Wobei ich zumindest hoffe, dass es trotzdem bis zum Ende des Giro durchhalten wird. Bei der Ankunft in Arma die Taggia galt es noch einmal verstärkt aufmerksam zu sein, da mein Hotel am Rande einer Zona Traffico Limitato (ZTL) liegt. Vorfahren ging also noch, einmal drum herum kann schnell einen Hunderter kosten (wie ich bereits in Ravenna vor Jahren schmerzlich erfahren musste). Die Vespe steht hier übrigens über Nacht auf einem Zweiradparkplatz vorm Haus auf öffentlichem Grund. Als einzige Eingeborene unter -zig Japanerinnen und Französinnen.

Come fare la benzina

Für den dritten Reisetag stand der Col d’Iseran auf dem Programm. Den höchsten auf einer asphaltierten Straße überfahrbaren Alpenpass erreicht von Aosta aus über einen Zwischenaufstieg über den kleinen Sankt Bernhard Pass. Auch hier ist man auf den internationalen Tourismus bestens eingestellt und bietet die üblichen Mitbringsel zum Verkauf an. In Val d’Isere nutzte ich die Gelegenheit um in dem bekannten Wintersportort, der auch im Sommer gut besucht scheint, die Vespe noch einmal zu betanken. Hierbei unterlief mir ein kapitaler Bock am Tankautomaten, als ich bei der Vorwahl des Tankgeldes vorschnell 100€ bestätigte und doch nur für 13€ tanken konnte. Ob und wie ich das Restguthaben noch verflüssigt bekomme, steht in den Sternen. Ich hoffe, ich kann das im gesamten Avia-Netz noch irgendwie geregelt bekommen. Einigermaßen missmutig ging’s dann auf die Passhöhe. Dort hielt mich fast zwei Stunden auf, und lag mit zwei alkoholfreien Kaltgetränken eine Stunde in einer Sonnenliege auf der Sonnenterrasse des Restaurants La Cascade. Es war erstaunlicher Weise sehr wenig Betrieb, so dass man mal richtig abschalten konnte. Nachdem ich mich ausgiebig erholt hatte, machte ich mich auf in Richtung Orbassano. Im dortigen Hotel Eden wollte ich für die Nacht einchecken. Mit der Navi-Einstellung „Autobahn vermeiden“ wartete noch ein weiteres Reisehighlight auf mich. Die Fahrt über die Passhöhe des Mont Cenis. Die Passhöhe ist mit 2.083 Metern nicht so beeindruckend, aber die Landschaft ist bemerkenswert. Hier legte ich gleich mehrere Foto-Stopps ein. In Orbassano angekommen, fiel mir als erstes die unangenehm hohe Temperatur vor Ort auf. Bei rund 37 Grad im Schatten gab ich mir zunächst eine kalte Dusche und verbrachte anschließend nahezu den gesamten Abend (bis auf einen kleinen Einkauf im nahegelegenen Supermercato) im klimatisierten Hotelzimmer. Selbst als ich um kurz vor Mitternacht noch einmal vor die Tür ging, zeigte das Thermometer noch 30°C an – braucht kein Mensch.

C’era una volta …

Im verflixten siebten Jahr, oder besser gesagt, nach siebenjähriger Reisepause, bin ich mal wieder zu einem Vespa-Reisemärchen gestartet. Bereits nach gefahrenen knapp 150 Kilometern, bei einer ersten Tank- und Trinkpause in Speyer, gab es das erste – negative – Reisehighlight. Meine Tucano-Urbano-Gepäckrolle versagte ihren Dienst. Wie die Wurst aus der Pelle, so platzte der Inhalt meiner Gepäckrolle heraus. Nach gut zehnjähriger Einsatzzeit hatte die Klebeverbindung, mit der der Boden in die Rolle eingeklebt worden war, vermutlich auch infolge der an diesem Tag intensiven rheinhessischen Sonnenbestrahlung, ihren Dienst quittiert. Damit stand für den nächsten Tag bereits ein ungeplanter Programmpunkt fest: Der Besuch einer Loislfilliale, zwecks Ersatzbeschaffung. Die Fahrt selbst in brütender Hitze durch Rheinhessen und Baden, zwischen Mainz und Karlsruhe immer in Rheinnähe auf der B9 entlang, wurde erst ab Rastatt richtig schön, als die Querung des Schwarzwalds über Gaggenau und Freudenstadt anstand. Nach fünfstündiger quasi non-stop-Fahrzeit und 321 Kilometern Tagesfahrleistung hatte ich mein Nachtlager in Deißlingen erreicht, nicht ohne zuvor schon einen ersten Schnappschuss vom am Folgetag anstehenden Programmpunkt gemacht zu haben. (Bilder folgen)

Ancora una sorpresa

Es wäre schon fast eine Enttäuschung gewesen, wenn nicht auch der letzte Tag meiner diesjährigen Tour mindestens noch eine Überraschung für mich bereit gehalten hätte.
Als ich mich am Donnerstagmorgen um acht nichts ahnend an die Frühstückstafel des Klosters begeben wollte, stand plötzlich und unerwartet – 150 Kilometer fern der Heimat – eine Arbeitskollegin vor mir.
Wir begrüßten uns herzlich, tauschten unsere Reisepläne und -erlebnisse aus, und verabschiedeten uns ebenso herzlich, bevor ich mich mit großem Appetit für die letzte Reiseetappe meiner diesjährigen Vespatour präparierte.

Pünktlich um 09.00 Uhr startete ich durch den Pfälzer Wald in Richtung Rheinhessen, wo ich für Gianna und mich noch einmal eine kleine Bootspartie (Rheinfähre von Bingen nach Rüdesheim) vorgesehen hatte.
Etwas unerwartet war es zu dieser frühen Tageszeit noch recht frisch, da ein Großteil der Fahrtstrecke (B 39) noch im landschaftlich schönen, aber äußerst schattigen Tal des Hochspeyerbachs lag, durch die zudem noch der Morgennebel zog. Und so fröstelte ich so vor mich hin, was auch nicht wirklich besser wurde, als ich nach einer halben Stunde die Burg Frankenstein passierte.

Burg Frankenstein in der Morgensonne

Gut 20 Minuten später war ich aber schon wieder hellwach und absolut auf Betriebstemperatur, als ich das kleine Örtchen Enkenbach-Alsenborn erreichte.
Bei jedem fußballhistorisch interessierten Passivsportler klingeln beim Stichwort „Alsenborn“ sofort die Alarmglöckchen.
Mitte bis Ende der 60er-Jahre spielte der SV Alsenborn, zeitweilig trainiert vom Ehrenspielführer der deutschen Fußballnationalmannschaft, Fritz Walter, eine führende Rolle in der Regionalliga Süd-west und klopfte dreimal (leider erfolglos) an das Tor zur Bundesliga. Fritz Walter ließ sich in Alsenborn nieder und erbaute dort ein repräsentatives Anwesen.

Gianna vor dem Fritz-Walter-Haus in Alsenborn

Das „Fritz-Walter-Haus“ ist heutzutage nur nach Voranmeldung und in Gruppen zu besichtigen. Ich ließ es mir nicht nicht nehmen, trotzdem vorzufahren um wenigstens von außen einmal einen Blick auf das Gelände werfen zu können.

Von Alsenborn ging’s dann im Sauseschritt über Bad Kreuznach (letzter Tankstopp) nach Bingen. Nach kurzer Wartezeit setzten wir wie geplant mit der Rheinfähre über und waren wieder im heimischen Hessen.

Das letzte Boarding – Auf der Rheinfähre nach Rüdesheim

Den Schlussakkord bildete schließlich die Strecke von Rüdesheim über Schlangenbad nach Bad Schwalbach und von dort durchs schöne Aartal zurück nach Limburg.

Bevor es in den nächsten Tagen zur allfälligen Hauptuntersuchung geht, steht jetzt wohl erstmal eine Neubereifung an (der Vorderreifen hat inzwischen beachtliche 17.000 Kilometer abgerollt!).

Aktueller Zählerstand am Ende der Reise

Meine Reisestatistik für 2016:

Bereiste Länder: Deutschland, Österreich, Italien, Korsika(!), Schweiz und Frankreich

Gefahrene Kilometer: 3.601 – Technische Probleme mit der Vespe: zum dritten Mal keine!

Spritverbrauch: 100,42 Liter, damit 2,79 Liter/100km

Una notte in convento

Ich gehe ins Kloster, wenn auch nur für eine Nacht. Diese Entscheidung fiel mir nach der gestrigen, eher beschwerlichen Zimmersuche leicht. Und so hatte ich noch gestern Abend für heute – meine letzte Nacht auf Reisen – ein Zimmer im Kloster in Neustadt an der Weinstraße gebucht.
Aber erstmal hinkommen, denn die von vorgeplante Reiseroute sah zwar – mit einer Ausnahme – keine besonderen Reisehighlights mehr vor, aber noch einmal waren über 350 Kilometer Tagesfahrleistung abzurufen.

Begonnen hat der heutige Tag mit einem Reinfall am Rheinfall. Ich hatte mich sehr auf das außergewöhnliche Naturschauspiel gefreut, und ein paar außergewöhnliche Schnappschüsse für das Fotoalbum waren fest einkalkuliert.
Dass es dann ganz anders kam, lag einfach daran, dass ich zur falschen Zeit am richtigen Ort war. Morgens zwischen 9.00 und 10.00 steht die Sonne so ungünstig am Himmel, dass sie bei einer Aufnahme von vorn, weil direkt über dem Rheinfall stehend, volles Gegenlicht mitliefert. Hier versagte auch Sonys Gegenlichtkorrektur kläglich und die entstandenen Fotos sind somit für die Tonne.

Der R(h)einfall im Gegenlicht

Trotzdem hatte ich meinen Spaß in den gut 30 Minuten, die ich vor Ort war, und in denen ich wenigstens ein paar Reisemitbringsel erwerben konnte.
Es war interessant zu beobachten, wie Bus um Bus mit asiatischen Touristen vorfuhr, seine Reiesegäste aus- und nach 10 Minuten wieder einlud, und verschwand – eine Art Zugvogelmentalität muss mal da wohl mitbringen.

Ich betankte die Vespe noch einmal und gab nun Gas und stand anderthalb Stunden später bereits in Freiburg. Von dort wechselte ich auf die linke Rheinseite und fuhr auf französischem Hohheitsgebiet am Rhein entlang gen Norden.
Die Strecke ist äußerst empfehlenswert, da sie sich insgesamt recht flott befahren lässt, und einerseits teilweise in schönen Waldabschnitten verläuft, andererseits aber an manchen Stellen das Rheinufer direkt daneben verläuft. Dies gab noch einmal ein paar schöne Aussichten und Fotomotive. Zum Teil recht ansehnlich wurde es auch kurz vor Strasbourg, wo der Randstreifen intensiv „gewerblich genutzt“ wird.

Das Rheinufer auf der französischen Rheinseite bei Marckolsheim

Hier empfiehlt es sich aber, die Konzentration dem eigentlichen „Verkehrsgeschehen“ zuzuwenden, so bleibt man sicher länger gesund.

Gegen 17.00 Uhr erreichte ich wohlbehalten das Kloster und widmete mich meinen Exerzitien, in erster Linie dem Bloggen.
Das Kloster in Neustadt an der Weinstraße bietet günstige Übernachtungsmöglichkeiten in sauberen und zweckmäßig ausgestatten Zimmern. Auch wenn das Interieur in den Nasszellen zum Teil den Zeitgeist der Siebziger Jahre widerspiegelt, ist eine Übernachtung hier dringend empfehlenswert.

Der Charme der Siebziger Jahre (Nasszelle im Kloster)

Zumal sich von hieraus die meisten lohnenswerten Ausflugsziele des Pfälzer Waldes recht flott erreichen lassen. Die Sehenswürdigkeiten von Neustadt an der Weinstraße habe ich mir für dieses Mal erspart, mein Akku war aufgrund der Fahrtzeiten der letzten Tage einfach leer.

Il giorno più lungo

Die zeitaufwendigste Reiseetappe (etwas über 12 Stunden), dabei die längste Zeit im Sattel (knapp 9 Stunden), die größte Tagesfahrleistung (über 350 Kilometer) und eine ordentliche körperliche Beanspruchung (ca. 200 Höhenmeter auf eine Strecke von knapp 2 Kilometern Fußweg auf Kopfsteinpflaster) – der 12. Reisetag kam mir nicht nur wie der längste Tag vor, er war es auch.

Nachdem am Vortag sämtliche geplante Badefreuden der Badewasserhygiene zum Opfer gefallen waren, hatte ich mir vorgenommen, der Empfehlung meines Gastgebers zu folgen, und den Sacro Monte di Varese – seit 2003 ein Weltkulturerbe der UNESCO – zu besichtigen, bevor ich meine Reise vespazierend fortsetzen würde.

Hier beginnt der Aufstieg auf den Sacro Monte di Varese

Zugegeben, ich hatte mich nicht wirklich vorbereitet, geschweige belesen darüber, was mich dort erwarten würde, sondern lediglich eine gute Stunde Aufenthalt (Vorfahren – Wegfahren – Glücklichsein!) auf die Agenda gesetzt.
Mein Nachtlager im Rustichetto lag ja bereits in der Via Prima Cappella, und so erreichte ich eben diese bereits nach fünfminütiger Fahrtzeit, parkte die Vespe unmittelbar davor und machte mich auf in meinem „Bikeroutfit“ auf, den Sacro Monte zu erklimmen. Der ersten Kapelle folgte die zweite, dann die dritte und die vierte. Der mit Kopfsteinen gepflasterte Weg war mit meinen TCX-Stiefeln nur beschwerlich zu begehen, und allmählich kam die Sonne stärker durch. Die fünfte, sechste und siebte Kapelle lagen hinter mir und der Schweiß begann zu rinnen.

Es muss wohl ungefähr die zehnte Kapelle gewesen sein, an der ich dann ein größere Atem- und Trinkpause einlegte. Da ich zwischenzeitlich ein paar Passanten nach der Gesamtzahl der Kapellen befragt hatte (14 Stück), wusste ich, dass das Ziel in Schlagweite kam.

Das Ziel in Sichtweite – Die Wallfahrtskirche auf dem Sacro Monte

Nach knapp einer Stunde schließlich hatte ich die Parrochia Santa Maria del Monte erreicht und ließ mich – ein wenig erschöpft – neben die anderen Pilger auf die Bank sinken. Eine zehnminütige Andacht, ein stilles Gebet und ein angemessener Obolus in den Kirchenkasten, schon lief es sich bergab viel leichter und in der halben Zeit.

Mit einem frischen T-Shirt (das vorherige war „bagnato fradicio“) ging’s dann in flotter Fahrt Richtung Schweizer Grenze. Beim Grenzübertritt wurde ich wohl ein Opfer meines inzwischen beträchtlich gesprossenen Reisebarts und musste bei den italienischen Grenzern wieder einmal Topcase und Kulturtasche blank ziehen.
Es folgte ein kurzes Fachgespräch über die Vespa, wobei sich die Grenzer erstaunt zeigten, keine 300er vor sich stehen zu haben, alldieweil Gianna doch „una bomba“ sei. Ich bedankte mich für die wohlmeinenden Worte und machte mich – vorbei an den Granitbrüchen von Osogna – auf in Richtung alte Gotthard-Straße.

Die Granitbrüche von Osogna im Tessin

Die Gotthardstraße von Biasca nach Altdorf lässt sich auch mit einer kleinen Vespe angenehm fahren, bietet jede Menge schöne Ausblicke und auf der Passhöhe von 2.106 Metern einen schönen Rastpunkt für die Mittagspause. Mann und Maschine werden hier allerdings nicht sonderlich gefordert, da die Nationalstraße A2 doch recht großzügig ausgebaut ist. Mir war’s in diesem Fall ganz recht, hatte ich doch noch einige Tageskilometer vor mir.

Auffahrt auf den Gotthardpass

Kurz nach der halbstündigen Mittagspause auf dem Passo del san Gottardo musste ich bereits wieder aus dem Sattel steigen, ergab sich doch mit den Teufelsbrücken über die Reuss in der Schöllenenschlucht das nächste beindruckende Fotomotiv. Auch etliche Reisegruppen legen hier einen kurzen Stopp ein, um über die verschiedenen Wege (u. a. auch an der Eisenbahnbrücke entlang) die Brücken in beiden Richtungen zu queren.

Die Teufelsbrücke über die Schöllenenschlucht

Am Luzerner See und Zuger See entlang erreichte ich schließlich am späten Nachmittag Zürich. Mitten in der Rushhour quälte ich mich – trotz italienischem Fahrstil – mühsam in einer knappen Stunde durch den Großraum Zürich und landete bei bereits einsetzender Dunkelheit in Schaffhausen. Um eine Unterkunft hatte ich mich ausnahmsweise im Vorfeld nicht gekümmert, und das sollte nun zum Problem werden, da mehrere befragte Hotels und Pensionen bereits voll belegt waren.
Mit telefonischer Unterstützung meiner Frau (ich hatte leider vorübergehend kein Datennetz), die ein chinesisches Hotel in Grenznähe, aber bereits auf deutschem Hoheitsgebiet, für mich klar machte, fand ich doch noch ein adäquates Nachtlager.

Tian Fu – Gastfreundschaft und Gastronomie auf hohem Niveau

Nach einer nochmals halbstündigen Vollgasfahrt durch die Dunkelheit zu dem chinesischen Hotel-Restaurant stellte sich vor Ort heraus, dass auch dieses bereits voll belegt war. Doch die Hotelbetreiber gewährten mir in ihren eigenen, privaten Räumen Unterschlupf im Wohnzimmer auf einer Gästecouch. Ein Bonus, den man vermutlich nur dann erhält, wenn man mit einer Chinesin verheiratet ist!
Das hervorragende Essen im Tian-Fu (Klick!) rundete einen anstrengenden Tag dann doch noch perfekt für mich ab.